Geschichte der Wirgeser Glasfabrik Teil 2 von 1902-1959

 

1902 erwirbt die Aktiengesellschaft für Glasindustrie, vormals Friedrich Siemens Dresden die Fabrikanlagen mit der Flaschenfabrik, Chamottefabrik und Verschlussfabrik in Wirges. Friedrich Siemens, der Bruder des Begründers der deutschen Elektroindustrie Werner von Siemens, besaß schon mehrere Glashütten, hauptsächlich in den Ostgebieten des Deutschen Reiches, in Ungarn und Rumänien. Er modernisierte den Betrieb in Wirges grundlegend.

Friedrich Siemens, Konstrukteur des ersten Gas-Regenerativofens im Jahre 1859. Dieses Feuerungssystem und seine Erfindung der Wannenschmelzöfen brachten eine vollständige Umwälzung in der Glasindustrie hervor. Damit legte er den Grundstein für die deutsche Flaschenindustrie und baute im In- wie im Ausland seine Wannenöfen.

Aus den Siemens’schen Unternehmen entstand im Jahre 1888 die Aktien-Gesellschaft für Glasindustrie mit Sitz in Dresden.

Die Gebrüder Siemens waren auf vielen Gebieten vertreten. Friedrich war als Assistent bei seinem Bruder Werner Siemens auf dem Gebiet der Telegrafie tätig, bevor er nach England reiste, um mit Wilhelm Siemens seine Erfindungen im Motoren- und Maschinenbau einzuführen. 1867 übernahm Friedrich die von Hans Siemens gegründete Glasfabrik für Tafelglas und wandelte diese in eine Flaschenfabrik um.

Friedrich Siemens der Erfinder der kontinuierlich arbeitenden Wannenöfen mit Regenerativfeuerung für die Massenerzeugung von Glas (seit 1868) stellt die Glasproduktion auf sein System um und modernisiert den Betrieb in den Folgejahren. Die Erfindung von Werner von Siemens, kam in der elektrischen Werkbahn zur Anwendung. Im Gegensatz zu seinem Bruder, Werner wurde er nicht geadelt und trägt damit auch nicht das Adelsprädikat „von“ im Namen.

 

Die Aktiengesellschaft für Glasindustrie, vormals Friedrich Siemens Dresden, hatte mit den staatlichen Mineralbrunnen in Selters, Löhnberg und Fachingen im Jahre 1894 einen Vertrag zur Lieferung von Glasflaschen abgeschlossen, womit das Schicksal der Krugbäckereien, als ehemalige Zulieferer, besiegelt war. Vertraglich waren noch Lieferungen von 2 Mio Tonkrügen festgelegt.

Die Glasflasche trat ihren Siegeszug an.  

1911 wurde die erste Owens-Flaschenmaschine an der Schmelzwanne III aufgestellt, Tagesproduktion 20.000-25.000 Flaschen (in späteren Jahren 30.000 Flaschen).

1912 folgte eine weitere Owens-Maschine. Die maschinell hergestellten Flaschen zeichneten sich durch größere Bruchfestigkeit sowie Gleichmäßigkeit des Gewichtes und Inhaltes aus. Nach und nach verdrängten diese Maschinen die mundgeblasenen Flaschen. Für Spezial-Produkte wurde immer noch die Fertigkeit der Glasbläser benötigt.

Owens-Flaschenmaschine war ein amerikanisches Patent, das die europäische Flaschenindustrie für 12 Mio Mark erwarb.

1912 wurde die neue elektrische Zentrale errichtet, welche auch den Strom für die elektrische Werkbahn erzeugte.

 
1913 beging die Aktiengesellschaft für Glasindustrie, vormals Friedrich Siemens ihr 25 jähriges Jubiläum und gab aus diesem Anlaß eine kleine bebilderte Chronik heraus, von denen einige die Gleis- und Werksanlagen zeigen. U. a. eine elektrische Feldbahn in der Fabrik, diese war bis zum Jahre 1950 in Betrieb.
 

Die Feldbahngleise in 600 mm Spurweite verbanden die einzelnen Sparten des Werkes und bewältigen den Transport von Rohstoffen für die Glasherstellung, Kohlen und Brikett für die Gaserzeuger denn die Schmelzwannen werden mit Gas gefeuert. Die Brennstoffe wurden in sogenannten Drehrosten verschwehlt, das daraus gewonnene Gas zur Befeuerung der Wannenöfen benutzt. Feuer- und Säurefeste Produkte der Chamotte werden zur Verladerampe transportiert um in Staatsbahnwagen verladen zu werden. Das Werk verfügt aber auch von Anfang an über etwa 2,5 km Normalspurgleise im Fabrikgelände zur Anlieferung von Baumaterialien, Maschinen, Ersatzteilen, Rohstoffen, Brennmaterial und zum Versand der Glasprodukte.

1917 erwarb die Aktiengesellschaft für Glasindustrie in Wirges die an das Werksgelände anschließenden Tonfelder und Belehnungen und sicherte sich damit der Schamottefabrik auf lange Sicht eine gesunde Rohstoffgrundlage.

 Oben links und rechts sowie mitte links und rechts 1916, darunter 1927, Aktie von 1941 (Original im Archiv)

 

Werksstilllegungen infolge der Ruhrbesetzung 1923-24 und der Weltwirtschaftskrise 1930-1933.

Ende 1933 kam die Schamottefabrik sowie die Glashütte mit 2 Schmelzwannen und 2 Owensmaschinen mit etwa 550 Beschäftigten wieder in Betrieb.

1934 wurde an der Wanne III eine Anlage zur Herstellung vonRohglas und Drahtglas im Handgießverfahren errichtet, die schon 1939 wieder stillgelegt wurde, weil dieses Verfahren inzwischen unrentabel war. (Quelle Heimatjahrbuch Alois Baltes 1994)

 

Im Jahre 1943 erfolgte die Umbenennung in Siemens Glas AG.  

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges verblieb nur das Werk Wirges im Bundesgebiet alle übrigen Werke von Siemens-Glas lagen in den verlorenen Ostgebieten oder in der sowjetischen Besatzungszone.
Es handelte sich um die Werke Usch, Gertraudenhütte, Neusattl, Kosten, Mediasch und Graz in der Tschechoslowakei, Polen, Rumänien und Österreich. In der sowjetischen Besatzungszone Dresden, Berlin-Stralau, Freital-Döhlen und Pirna.

1948 Verlegung des Hauptsitzes von Dresden nach Wirges aufgrund der Zonentrennung durch Generaldirektor Dr. Niclassen.
Carl Friedrich Siemens, der Sohn von Friedrich Siemens war seit den zwanziger Jahren stellvertreter und später Vorsitzender des Aufsichtrates. Er verstarb am 25. Juni1952.

Das bebaute Werksgelände in Wirges umfaßte 37.175 qm, unbebautes Werksgelände 110.658 qm, Wohnhausgrundstücken von 65.545 qm, landwirtschaftliche Grundstücke von 60 883 qm und über 10 ha Tongruben.
Quelle: Glück und Glas, Denkschrift der Westerwald AG (Original im Archiv)

 Nachtrag aus Chronik 1000 Jahre Wirges 1959
Zunächst widmete man sich dem Wiederaufbau der seit Ende März 1945 stilliegenden Werksanlagen. Diese waren nicht durch Kriegseinwirkungen zerstört
 aber durch die Siegermächte, vor allem französische Besatzung, nicht mehr im produktionsfähigen Zustand. Die Instandsetzung der Gebäude, Wannen und Maschinen erforderten erhebliche Mittel und Zeitaufwand, Fachkräfte mußten neu angelernt werden, viele ehemalige Arbeiter hatten den Krieg nicht überlebt oder waren in Gefangenschaft. So kam es erst gegen Ende des Jahres 1950 wieder zu geregelten Produktionsverhältnissen.
Neu aufgenommen wurde die Fabrikation von technischen Gläsern, gepreßtem Bauglas und von Glasdachziegeln, sowie von technischem Porzellan.

Durch Verlegung der ehemaligen Firma Koch & Sterzel von Dresden nach Wirges im Jahre 1945 wird hier in den umfangreichen Werksanlagen ein Wandler und Transformatorenwerk, kurz WTW, aufgebaut. Unter der Leitung von Diplom-Kaufmann Koch und Dr. Warnecke werden Strom- und Spannungswandler in Porzellan und Gießharzausführung, Regeltransformatoren und Hochspannungstransformatoren hergestellt, letztere auch für Prüfzwecke.
(Dr. Warnecke stammte aus Hannover und besaß ein Wohnhaus gegenüber der heutigen Werkseinfahrt.)

Während viele Firmen in der Nachkriegszeit einen erfolgreichen Neubeginn erreichen konnten, blieb in Wirges der Erfolg aus.

Mangelnde Sparsamkeit, unglückliche Personalpolitik und unüberlegte Investitionen lassen die Leistungsfähigkeit des Unternehmens sinken. Die Fusion im Jahre 1955 mit der Oldenburgischen Glashütten AG erweist sich als Fehlschlag.

Auszug aus den Hauptversammlung 1955 (veröffentlicht in der FAZ im Mai 1956)

Der Vorstand besteht zur Zeit aus den Herren: Dr.-Ing. Hans Niclassen, Wirges, Vorsitzer, Dr.–Ing. Franz Grenzer, Oldenburg,

Bernd Neesen, Wirges, stellv.

 

Dem Aufsichtsrat, der satzungsgemäß aus sechs Mitgliedern besteht, gehören zur Zeit folgende Herren an:

Dr. jur. Eduard von Schwartzkoppen, Frankfurt/Main, Geschäftsinhaber der Berliner Handels-Gesellschaft, Vorsitzer,

Walter Nadolny, BerlinCharlottenburg, stellv. Vorsitzer, Heinrich Krahnstöver, Ministerialrat a.D. Oldenburg,

Dr.-Ing., Dr-Ing. E.H. Otto Reuleaux, Hannover-Kirchrode, Vorsitzer des Vorstandes der Kali-Chemie AG in Hannover

Arbeitnehmervertreter: Engelbert Roos, Wirges, Former und Winfried Stäcker, Staudt, Buchhalter.

Die Bilanzen der Geschäftsberichte 1950-1954 habe ich wieder entfernt da sie sich später als falsch erwiesen haben.
In der Anklageschrift  der Staatsanwaltschaft Koblenz ist wiederholt von Bilanzfälschung und Bereicherung der Angeklagten die Rede. Alle Bilanzen wurden im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Aufwendungen im Geschäftsjahr 1954:    5 144 546,27 DM davon 4 053 502,48 DM an Löhnen und Gehältern.

Belegschaft 1950 - 1954

Wirges

1950

1951

1952

1953

1954

Arbeiter

626

711

785

716

791

Angestellte

90

94

105

108

119

 

Arbeitsgebiete Werk Wirges aus dem Geschäftsbericht von 1955

Glasfabrik

Getränkeflaschen aller Art, farbig und weiß, eingebrannte Farbetiketten für Flaschen, gepreßtes Bauglas, vorzugsweise Glasdachziegel, hohle und massive Glasbausteine sowie technische Gläser, wie Wasserstandsschutzgläser, Backofenscheiben, Schutzglocken für elektrischeb Lampen, Hüttenrohglas für Beleuchtungsglas-Raffinerien usw.

 

Schamottefabrik

Die Schamottefabrik umfaßt drei Arbeitsgebiete, und zwar:

1. für den industriellen Bedarf an feuerfesten Materialien, wie Hochöfen, Röstöfen, Schmelz- und Vergütungsöfen u. dgl. Mit den unter den eingetragenen Schutzmarken eingeführten Sonderqualitäten „ALUSIEM“, „VITROSIEM“, „DUROSIEM“ und POROSIEM“.

2. für den Bedarf der Chemischen Industrie an säurebeständigen Materialien, wie Normal- und Formsteine, Stampfmassen, Mörtel und Kitte mit ihren geschützten Sonderqualitäten „SIEMACID“ und „SIEMENSIT“.

3. Projektierung und Ausführung von Korrosionsschutz an Anlagen und Gebäuden, wie Beiz- und Neutralisationsanlagen, Glovertürme und alle sonstigen vorkommenden Reaktionstürme, Kanäle u. dgl.

 

Tongruben

Gewinnung von Ton als Rohstoffbasis für die Schamottefabrik und für den Weiterverkauf.

 

Wandler- und Transformatoren-Werk

Herstellung von Niederspanngs- und Hochspannungs-Strom- und Spannungswandlern in Giesharz-, Oel- und Porzellanausführung. Regeltransformatoren, Regelaggregate, Bau von Hochspannungs-Prüf-Transformatoren und Hochstrom-Transformatoren.

 

Porzellanfabrik

Für den Anlagenbau stellt die Gesellschaft armiertes Porzellan in Form von Durchführungen und Stützern her. Fertigung von Hochspannungs-Geräte-Isolatoren für das eigene Werk und für den Verkauf, Fertigung von Leitungsisolatoren für Hoch- und Niederspannung

 

Betriebsanlagen (in Bearbeitung)

 
 

Das Wirgeser Werk war zum Neubeginn Schuldenfrei, verfügte über Lager und größere von Dresden übernommene Effektenbestände und doch geriet die Firma nach wenigen Jahren in Schwierigkeiten.  

In den Jahren 1956/57 wurden die Werkswohnhäuser der Dornberg- und Asbach Siedlung sowie die Häuser an der neuen Straße an zumeist Werksangehörige verkauft. Die Häuser von Dornberg 1 für jeweils 6000 DM, die von Dornberg 2+3 für 12000DM 

Die Berliner Handelsbank gewährte nochmals einen Kredit von 10 Millionen Mark, das Land Rheinland-Pfalz eine Bürgschaft von 1,6 Mio DM aber der Konkurs war nicht mehr abzuwenden. 

Mitte August 1957 stellte die Firma Siemens-Glas AG ihre Zahlungen ein und es kam zur Einleitung des Konkurses.
Mehr dazu am Ende dieser Seite

 

Das Schicksal von Siemens-Glas ist besiegelt
Pressemeldung vom 26. September 1957
 
Es ist sicherlich ein schwerer Gang für einen angesehenen Bankier, wenn er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Aufsichtsrats einer mit seinem Hause über Generationen hinweg befreundeten Gesellschaft deren Hauptversammlung mitteilen muß, daß das Gericht ein Konkursverfahren eingeleitet hat. In einem solchen Augenblick vermag, er nichts zu bieten als Verluste und Enttäuschungen; er kann keine Hoffnungen mehr erwecken, denn das Schicksal des Unternehmens ist entschieden, und dennoch muß er um Vertrauen werben, denn darauf beruht seine Existenz als Bankier. Vor diese sicherlich sehr schwierige Lage sah sich der Geschäftsinhaber der Berliner Handels-Gesellschaft, Dr. von Schwartzkoppen, in der HV der Siemens-Glas AG, Wirges, gestellt.

 
 
Neubeginn

Das Bankhaus Lenz & Co (74%), deren Inhaber August Lenz und Dr. Otto Schmitz, und die Glas- und Spiegelmanufaktur AG in Gelsenkirchen (26%) erwerben aus der Konkursmasse die Glashütte, Schamottefabrik, WTW und Tongruben und führen das Werk unter dem alten Namen Siemens-Glas AG fort.

Dr. Werner Wodrich, langjähriger Direktor der Siemens Glas AG in Dresden, war seit 1949 Vorstand der Glas- und Spiegelmanufaktur AG in Gelsenkirchen, wird von den neuen Aktionären für die neue Siemens-Glas AG zum allein Vertretungsberechtigten Vorstand ernannt. Dr. Ing. Heinrich Warnecke wird stellvertretendes Vorstandsmitglied. Prokura erhalten Dr. Günther König, Werner Bettermann und Alfons Plewnia. 

Schon im Januar 1958 nahm die Glashütte wieder den Betrieb auf, wenige Monate später auch die übrigen Betriebsteile Schamotte, Tonguben und die WTW ihre Arbeit wieder auf. Überlegte Investionen und eine verantwortungsvolle Geschäftspolitik des neuen Vorstandes führten innerhalb kurzer Zeit zur Verdoppelung der Umsätze.

Um sich vom großen Elektro Konzern Siemens zu Unterscheiden wurde die Firma am 30. Juni 1959 in Westerwald AG geändert und firmierte nun unter WESTERWALD AG vormals Siemens Glas.

Quellen: u.a. Denkschrift der Aktiengesellschaft für Glas Industrie vorm. Friedrich Siemens, Pressemeldungen, Geschäftsberichte, Denkschrift der Westerwald AG "Glück und Glas" das alles muß mühsam per Hand aus den alten Schriften abgeschrieben werden.
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Externe Quellen aus der Presse zum Konkurs von Siemens-Glas (Die Zeit und Rhein-Zeitung)

Die Zeit Nr. 38/1957

Auf der HV der Siemens-Glas AG, Wirges/Westerwald, die am 20. September stattfindet, wird es voraussichtlich sehr lebhaft zugehen. Das Unternehmen hat Konkurs anmelden müssen und kein Aktionär weiß zur Zeit, wieviel seine Aktien noch wert sind. Das ist umso peinlicher, als die Verwaltung auf der HV im vergangenen Jahr noch einen betonten Optimismus zur Schau getragen hat. Schuld an dem Zusammenbruch ist einmal der harte Wettbewerb in der Glasindustrie, aber auch ein gewisses Versagen des inzwischen abgelösten Alleinvorstandes. Nunmehr wurde festgestellt, daß die Vermögenswerte zu hoch in der Bilanz eingesetzt waren – und das, obwohl der Wirtschaftsprüfer der Bilanz per 31. 12. 55 seinen Bestätigungsvermerk erteilt hat. Die Schutzvereinigung hat zu verschiedenen Tagesordnungspunkten Opposition angemeldet. Ihr geht es offensichtlich darum, die für die Verluste Verantwortlichen festzustellen.

Die Zeit Nr. 39/1957 Auszugsweise

Die Hauptaktionäre waren nicht bereit, dem Unternehmen neue Mittel zuzuführen. Es war unmöglich, am offenen Markt eine Kapitalerhöhung durchzuführen (die Gesellschaft arbeitete ja mit Verlusten), auch sonst fand sich niemand, der sich an dem Unternehmen beteiligen wollte. Mühe hat sich der AR nach dieser Richtung hin zur Genüge gegeben.

Warum aber, und dies ist die zweite wesentliche Frage, wurde die Unmöglichkeit, das Unternehmen zur Wirtschaftlichkeit zu bringen, nicht zu einem Zeitpunkt erkannt, wo vielleicht noch etwas zu retten war? Dazu ist vieles zu sagen. Weil Siemens-Glas kein kaufmännisches Vorstandsmitglied fand, ließ sich das Unternehmen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beraten. Sie richteten die Buchhaltung ein und überprüften die Kalkulationen. Noch im Herbst vergangenen Jahres erstattete eine renogutachten. Es ließ die Hoffnung für berechtigt erscheinen, daß Siemens-Glas vor der Schwelle der Rentabilität stünde. Im Frühjahr aber geriet die Gesellschaft in eine häßliche Liquiditätsklemme. Die Hausbank, die Berliner Handels-Gesellschaft, sprang nochmals ein. Sie veranlaßte daraufhin erneut eine Wirtschaftlichkeitsüberprüfung. Diesmal aber zeigte sich, daß die Abschreibungssätze, die bisher angewandt wurden, nicht ausreichten. Sie berücksichtigten lediglich den technischen, aber keineswegs den wirtschaftlichen Verschleiß veralterter Maschinen. Weiterhin zeigte sich, daß auf die Vorräte größere Sonderabschreibungen notwendig wurden. Eine auf Grund dieser Feststellung aufgestellte Zwischenbilanz ergab, daß das halbe Aktienkapital verloren war. Damit aber war die Verwaltung gehalten, Anzeige gemäß § 33 des Aktiengesetzes zu erstatten.
 

 Koblenz 1. Juni 1963

Mit drei Freisprüchen endete am Dienstag der Siemens-Glas-Prozeß der am 8. April vor der fünften großen Strafkammer des Landgerichts Koblenz begonnen hatte. Die Kosten des Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last.

 

Schon 1955 war eine deutliche Liquiditätsklemme zu erkennen.

Erhebliche Investitionen  hatten die Aufnahme von 10. Mio Mark erfordert, die durch kurzfristige Gelder beschafft wurden.

1956 habe sich dann der Abbau dieser Kredite als zwingend erwiesen. Das Land Rheinland-Pfalz hatte eine Ausfallbürgschaft von 1,6 Mio Mark gestellt.

In der Aufsichtsratsitzung vom 10. August 1957 sei dann Dr. Niclassen und dem Geschäftsführer Bernd Neesen nahegelegt worden , auszuscheiden.

Der wenig später angemeldete Konkurs – 20 Millionen Mark – fand mit einem Zwangsvergleich seinen Abschluß